Der Schuhmacher von Haithabu
Sein Name ist in der Szene gesetzt. Andreas Helfert hat sich mit mittelalterlicher Handwerkskunst einen Namen gemacht. Er fertigt Schuhe, die auf Funden aus Haithabu basieren. Vor 15 Jahren hat er erstmals unseren Sommermarkt besucht. Inzwischen ist er ganz in den Norden gekommen - und unser Kollege geworden.
Ob in Haithabu damals alle Menschen Schuhe getragen haben? Das vermag auch er nicht zu sagen. Haben Schuhträger sich im Winter besonders vor Kälte geschützt? „Auch darüber gibt es keine genauen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Es ist aber naheliegend, dass die Menschen sich in der kalten Jahreszeit trockene Gräser, lose Wolle oder Fell in die Schuhe gelegt haben“, sagt Andreas Helfert. Wenn sich einer mit dem Thema auskennt, dann er. Seit vielen Jahren gilt er in der Wikinger-Szene als Experte fürs Schuhwerk jener Zeit. Mehr als 5000 Paare hat er nach Originalfunden bereits gefertigt. Seit drei Jahren ist er für das Wikinger Museum tätig, um zusammen mit Kai Zausch das Gelände mit den rekonstruierten Häusern in Schuss zu halten und Besucher*innen wikingerzeitliches Handwerk zu präsentieren. Und genau das ist es auch, was ihn reizt.
Begonnen hat alles Ende der 1990er Jahre mit dem Besuch eines Mittelaltermarktes in Hessen. „Das Lagerleben und die Vorführungen haben mich nachhaltig beeindruckt“, sagt Andreas Helfert. Er beginnt, sich intensiv damit zu beschäftigen. Sein Interesse gilt zunächst Gräbern aus dem 6. und 7. Jahrhundert. Ein umfangreich ausgestattetes Fürstengrab auf dem römisch-fränkischen Gräberfeld von Krefeld-Gellep fasziniert ihn besonders. Er baut die Grabbeigaben zusammen mit anderen Handwerkern nach, darunter ein Sattel, ein Spangenhelm, eine Ringknaufsparta, Doppelmessertaschen… „Es war ein Rekonstruktionsversuch nach Fundlage“, sagt er bescheiden. Ihm geht es um Genauigkeit, basierend auf archäologischem Wissen.
Beruflich macht Andreas Helfert zunächst eine Ausbildung zum Raumausstatter, 1999 seinen Meister, direkt im Anschluss noch den Geprüften Restaurator im Raumausstatter-Handwerk. Mitte der 2000er setzt er eine Ausbildung zum Reitsportsattler obendrauf. Lederarbeiten reizen ihn besonders. „Hinzu kommt, dass der Betrieb ein Faible für alte Sachen hatte.“ Er bleibt dort, arbeitet als Sattler - aber abends, da beginnt er Schuhe zu nähen. Schuhe, wie die Menschen in der Wikingerzeit sie getragen haben. „Die Fundlage ist hier sehr gut, insbesondere in Haithabu haben wir über 200 Funde. Das Material ist nicht nur sehr umfangreich, sondern auch gut dokumentiert“, sagt Andreas Helfert.
Vor 15 Jahren macht er sich schließlich selbstständig, besucht den ersten Sommermarkt am Haddebyer Noor – und viele andere bis hoch ins norwegische Trondheim. Er etabliert sich in der Szene. Sein Name ist gesetzt, wenn es um Schuhe geht. „Viele Aufträge kommen über Mundpropaganda.“ Und die setzt sich heutzutage in den Sozialen Medien fort. Verfasst er selbst mal etwas auf Facebook oder wird er in Beiträgen erwähnt, folgen sogleich vertraute Kommentare und Grüße an den Andy.
Inzwischen ist er, der sich mit dem Schuhwerk der Bewohner von Haithabu so gut auskennt, wie kaum ein anderer, bei uns im Norden zuhause. „Ich freue mich, hier zu arbeiten.“ Das prickelnde Gefühl, sich an diesem historischen Ort aufzuhalten, ist dabei mehr und mehr einem professionellen Blick gewichen, mit dem Ziel, die Dinge zu erhalten, für andere erlebbar zu machen und nicht zuletzt historisches Handwerk vorzuführen.
Und wie war das jetzt mit den Schuhen? „Es gab einen Grundtypen, den so genannten Wendeschuh. Der wurde links herum genäht und dann umgedreht. Er bestand in der Regel aus Ziegenleder. Auch in anderen Details wie der Machart der Fersen unterschieden sich die Schuhe.“ So gab es knöchelhohe Schuhe und auch Stiefel. Sie unterschieden sich durch unterschiedliche Nähte. Einige Schuhe bestanden aus einem Stück Leder, andere waren aus mehreren Stücken zusammengesetzt, was entsprechend aufwändiger war. Auch gab es Ziernähte und Randeinfassungen. Hat es in Haithabu gar richtige Schuhmode gegeben? „Ja, das kann man so sagen. Es war auch damals schon eine Frage des Geldbeutels, ob man nur ein ganz simples Paar trug oder mit den gerade beschriebenen Extras“, sagt Andreas Helfert.