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  • Archäologische Funde: Diese Steine sowie das Fragment eines Spielbrettes hat man in Haithabu gefunden.
  • Anna-Theres Andersen schaut sich eine Vitrine im Wikinger Museum Haithabu an, in der Überreste eines Spiels gezeigt werden.
  • Mit diesem Fund aus Bernstein wandte sich ein Sammler 2018 an das Museum für Archäologie Schloss Gottorf, in der Hoffnung, mehr darüber zu erfahren. Bei einer ersten Untersuchung lassen sich Gesichtszüge deuten.
  • Um noch mehr über das Objekt zu erfahren, suchte Anna-Theres Andersen nach einem Vergleichsfund – und hatte Erfolg. Später kommt sie zum dem Schluss, dass es sich bei den beiden Abbildungen höchstwahrscheinlich um ein und dasselbe Objekt handelt.
  • Die Königsfigur hebt sich deutlich von den anderen halbrunden Spielsteinen ab. Überlieferte Spielregeln aus der Wikingerzeit gibt es nicht.

Hnefatafl - ein Spiel der Wikinger

Auf den ersten Blick scheint es nicht mehr als ein kleiner, rundlicher Klumpen Bernstein. Und doch verbirgt sich dahinter so viel mehr. Anna-Theres Andersen, Studentin der Ur- und Frühgeschichte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, hat dieses Objekt im wahren Sinne des Wortes wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Im Interview spricht sie darüber, wie sich der Klumpen als Spielstein entpuppte, eine Königsfigur, und was wir daraus über Brettspiele der Wikingerzeit lernen können.

Frau Andersen, wir müssen das gleich zu Beginn klären: Spielen Sie gern?
Nicht so sehr, wie man angesichts des Themas meiner Bachelor-Arbeit denken könnte. Ich spiele mit meinen Freunden mal Karten wie Uno oder Phase10. Brettspiele mag ich privat weniger. Beruflich haben sie mich dagegen völlig in den Bann gezogen.

Wie ist es denn dazu gekommen, dass Sie angefangen haben, sich mit Brettspielen der Wikingerzeit zu beschäftigen?
Die Geschichte beginnt im Sommer 2018. Damals kommt ein privater Sammler auf das Museum für Archäologie Schloss Gottorf zu, mit der Bitte ein Objekt zu begutachten, dass vor Jahrzehnten in Schleswig auf dem Holm gefunden wurde - also im Umfeld von Haithabu. Ich habe schon damals als studentische Hilfskraft hier gearbeitet und mich mit der Herkunft von Objekten beschäftigt. So kam eines zum anderen.

Wie haben wir uns Ihre wissenschaftliche Arbeit denn vorzustellen? Wie sind Sie vorgegangen?
Ich habe mir den Bernstein zunächst einmal ganz genau angeschaut, auch in der Vergrößerung. Dabei sind mir Ausprägungen aufgefallen, die auf die Konturen eines Kopfes schließen lassen.

Wie ist es dann weitergegangen?
Wenn Archäologen ein Objekt nicht so recht zuordnen können, da der Fundkontext fehlt, suchen sie nach Vergleichsfunden. Das habe auch ich gemacht, viele Bücher durchforstet und Abbildungen miteinander verglichen. Dabei bin ich auf einen Fund gestoßen, der in den 1930er Jahren in Haithabu gemacht worden ist. Schon damals vermutete der Grabungsleiter, dass es sich um den Kopf einer Spielfigur handeln könnte. Allerdings hat dieses Fundobjekt damals nicht den Weg ins Museum gefunden! Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich aber um jenen Bernsteinkopf, der dann im Jahre 2018 den Weg zurück „nach Hause“ gefunden hat. Zum Glück gab es viele andere Vergleichsfunde aus dem skandinavischen Raum mit deren Hilfe wir also davon ausgehen können, dass es sich bei unserem Objekt um einen sog. hnefi, also eine Königsfigur des Brettspiels hnefatafl handelt.

Wie spannend – und wie spannend ist das Brettspiel, in dem diese Königsfigur zum Einsatz gekommen ist?
Das archäologische Material ist sehr spannend – dadurch können wir den Menschen, die vor rund tausend Jahren gelebt haben, einen Schritt näherkommen, indem wir wissen, wie sie sich in ihrer Freizeit beschäftigt haben! Von allen größeren Fundplätzen der Wikingerzeit kennen wir eine Vielzahl an Spielsteinen und manchmal sind sogar Teile des Spielbrettes erhalten! Auch in Haithabu ist dies der Fall – halbrunde Spielsteine, Königsfiguren und Fragmente von Spielbrettern finden wir hier. Außerdem ist belegt, dass damals wohl nicht nur ein Spiel, sondern verschiedene Varianten mit nur einer Spielgarnitur spielbar waren. Uns ist hier der Name eines Spiels als hnefatafl bekannt, genau überlieferte Spielregeln aus der Wikingerzeit gibt es aber leider nicht.

Wie bedauerlich…
'Ja, das stimmt. Leider pflegten die Wikinger selbst keine Schriftkultur in dem Sinne, als dass sie über ihren Alltag oder gar Spielregeln berichtet hätten. Aufgrund der Funde können wir aber davon ausgehen, dass es sich um ein Strategie-Spiel handelt. Da gibt es einen König, seine Verteidiger, Angreifer… Bestätigt fühlen wir uns in unserer Deutung, weil im Laufe der Geschichte an anderen Orten Europas ähnliche Spielsteine gefunden worden sind – und auch aufgeschriebene Regeln. Da gibt es zum Beispiel „tawlbwrdd“, das um 1587 herum in Wales gespielt wurde. Oder „tablut“, welches die Samen im 19. Jahrhundert spielten. Es sind übrigens beides Orte bzw. Regionen, in denen sich die Wikinger aufgehalten haben. Problematisch ist natürlich, dass zwischen den Wikingern und den „Spielanleitungen“ über 600 Jahre liegen. Wir können also nicht mit Sicherheit sagen, dass hnefatafl also in unveränderter Form über hunderte von Jahren gespielt wurde. Dennoch kommen diese Anleitungen dem am nächsten, was wir überhaupt über ein Brettspiel der Wikingerzeit wissen können.

Zur Person

Anna-Theres Andersen arbeitet nicht nur als studentische Hilfskraft am Museum für Archäologie Schloss Gottorf, sie erhält darüber hinaus seit einiger Zeit auch ein so genanntes Deutschlandstipendium. Das ist ein finanzieller Zuschuss zum Studium. Die Hälfte trägt der Bund, die andere Hälfte der Förderverein Archäologie Schloss Gottorf e.V.. Hinter dem Deutschlandstipendium verbirgt sich die bundesweit wohl größte öffentlich-private Bildungspartnerschaft zur Unterstützung junger wissenschaftlicher Talente.

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