„Wikinger eignen sich nicht für rassistische Propaganda“
Dr. Matthias Toplak, der Leiter des Wikinger Museum Haithabu, über Wikingerromantik, wie diese für rassistische Propaganda missbraucht wird, warum sich „die Wikinger“ dafür aus wissenschaftlicher Perspektive gar nicht eignen - und was das Museum tut, um sich gegen rechtsextremen Missbrauch zu positionieren.
Herr Dr. Toplak, Haithabu ist ein Ort, der viele Menschen fasziniert. Wissenschaftlern wie Ihnen bietet er über 900.000 archäologische Funde. Seit über 100 Jahren wird hier gegraben und geforscht. Aber nicht nur für Fachleute ist Haithabu von großer Bedeutung. Viele Menschen interessieren und begeistern sich für diese historische Stätte – und die Wikingerzeit. Leider wird diese auch von rechtsextremen Gruppen missbraucht…
Das stimmt. Das haben Sie gut skizziert.
Woher kommt diese Begeisterung?
Die Wikinger sind in unserem Leben omnipräsent. Vermeintliche Abbilder kombiniert mit Werbebotschaften finden sich auf unzähligen Produkten, ganz egal ob Duschgel oder Bier. Und auch die Spiele- und Filmbranche liefert einen Publikumshit nach dem anderen. Ganz vorn dabei ist die Serie „Vikings“. Die Wikingerzeit scheint perfekt geeignet, die Sehnsüchte der modernen Welt auf eine ganz besondere Weise zu reflektieren. Da geht es um Vorstellungen von einer romantisierten, authentischen Gesellschaft mit geordneten Strukturen, die Sicherheit und Halt geben - und gleichzeitig Möglichkeiten für Abenteuer, Wildheit und Selbstverwirklichung bieten.
Wikingerromantik also – die leider auch zu politischem Missbrauch führt?
Ja leider. Von dieser romantisierten Vorstellung ist es nicht weit zu Anknüpfungspunkten der rechtsextremen Ideologie. Die (wissenschaftlich falsche) Vorstellung von den Wikingern als einem homogenen Volk großer, blonder und blauäugiger Recken, die ein von klaren Werten und Normen geprägtes authentisches Leben geführt hätten – quasi der nordgermanische „edle Wilde“ – ist für die rassistische Propaganda natürlich ein perfekter Gegenentwurf zur heutigen Welt. Auch die Martialität der wikingerzeitlichen Kriegerkultur bietet Anschluss an rechtsextreme Narrative: Der Mann, der noch Mann sein darf und seine Familie und seine Heimat mit der Axt vor Bedrohungen von Außen beschützt.
Und wo liegt der historische Ursprung dafür? Wie hat das alles angefangen?
Das heutige Wikingerbild wird eigentlich schon während der Wikingerzeit durch die Überlieferungen christlicher Mönche konstruiert. Besonders populär wird der Wikinger als wagemutiger Abenteurer und verwegener Krieger in der Nationalromantik des 19. Jh. Das Wikingerbild dieser Zeit wirkt auf uns heute vielleicht etwas kindlich-naiv – es heißt nicht umsonst ‚NationalRomantik‘ –, aber es finden sich darin schon viele Elemente, die später für die rassistische Propaganda der Nazis instrumentalisiert wurden: die Vorstellung, dass die skandinavischen Nationen und Deutschland direkt von den Wikingern abstammen würden und dieses besondere Erbe – im Nationalsozialismus dann später „die Reinheit des Blutes“ – erhalten müssten und auch schon ein Überlegenheitsanspruch gegenüber anderen Kulturen und Nationen aufgrund des vermeintlichen „Wikinger-Erbes“.
Was tut das Museum dagegen?
Wir setzen uns intensiv mit dem Thema auseinander und treten insbesondere mit Blick auf Haithabu und unserem Museum jeglichem Missbrauch, sofern er uns bekannt wird, entschieden entgegen. Bereits vor zwei Jahren haben wir mit den anderen Mitgliedern des Vereins Haithabu und Danewerk e.V. das Positionspapier „Welterbe gegen Rechts“ verabschiedet und tauschen uns regelmäßig in größerer Runde zu dieser Problematik aus. Wir klären dort, wo es uns möglich ist, wissenschaftlich fundiert auf und erklären, warum sich die Wikinger eben genau nicht für die rassistische Propaganda von rechtsextremer Seite eignen: Sie waren kein homogenes Volk, das abgeschottet von anderen Kulturen ihr vorgeblich „authentisches“ Leben in Skandinavien lebte, sondern sie hatten intensive Kontakte mit der Welt um sich herum, haben bereitwillig und schnell neue kulturelle Elemente aufgenommen und haben sich teilweise ebenso schnell in andere kulturelle Gruppen integriert, wie auch Angehörige anderer Kulturen zu „Wikingern“ werden konnten.
Und nicht zuletzt haben wir eine Übersicht mit rechtsradikalen Symbolen und Szenecodes sowie ihrer Bedeutung zusammengestellt. Nicht wenige von ihnen sind strafbar, in den Häusern der Stiftung Landesmuseen sind allesamt verboten. Aber damit ist nicht Schluss. Das ist ein Thema, das uns dauerhaft beschäftigen wird und zum Handeln auffordert.