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  • Dr. Joachim Schultze

Was 1000 Jahre alte Pfähle über das Leben in Haithabu erzählen

Haithabu gilt als eine der ersten Städte Nordeuropas. Noch heute, rund 1000 Jahre später, sind viele Menschen von diesem Ort fasziniert und von der Zeit, in der hier das Leben pulsierte. Um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie es damals war, hat das Wikinger Museum Haithabu vor rund 15 Jahren Häuser rekonstruieren lassen und auf dem historischen Gelände errichtet. Eine Erfolgsgeschichte. Dr. Joachim Schultze, der das Projekt als Archäologe betreut hat, spricht im Interview über den Wert von tausend Jahre alten Holzresten.  

Herr Schultze, Sie sind Leiter des Bereiches Sammlungen des Museums für Archäologie Schloss Gottorf. Nicht weit davon liegt das Wikinger Museum Haithabu, das aus einem Ausstellungshaus und einem Freigelände mit rekonstruierten Häusern besteht – von denen viele Besucher*innen besonders fasziniert sind. Ohne Sie würde es die so nicht geben…
Das stimmt, ich habe das Projekt als Archäologe betreut, genauso intensiv haben daran aber auch ein Architekt und ein Zimmermann gearbeitet.

Sind wir heute im historischen Gelände am Haddebyer Noor unterwegs, so ist dieses – abgesehen vom Museum - vor allem von Wiesen und Knicks geprägt. Woher wissen Sie, wo genau Häuser gestanden haben?
Auf diesem Gelände wird seit 120 Jahren archäologisch gearbeitet. Zu Beginn legte man immer nach der Ernte im Herbst kleine Grabungslöcher an. An vielen Stellen wurden Funde gemacht, die aus der Wikingerzeit stammten – auch Überreste von Häusern.  Je näher man ans Haddebyer Noor kam, desto besser waren auch organische Funde erhalten. Seit den 1930er Jahren gab es dann mehrfach größere Grabungen an der Stelle, an der wir die Rekonstruktionen errichtet haben, bei denen auch Hausgrundrisse freigelegt wurden.

Wie genau haben wir uns die Entwicklung von Haithabu vorzustellen?
Die ältesten archäologischen Objekte sind südlich des Halbkreiswalls gefunden worden. Wir gehen davon aus, dass es dort zunächst eine Ansiedlung gab, die sich im Laufe der Zeit entlang des Ufers räumlich nach Norden ausgedehnt und verlagert hat. Sie hat  sich dann ab dem 9. Jahrhundert zu einer frühen Stadt entwickelt: Haithabu. In ihrer Blütezeit dürfte die Stadt etwa dreiviertel der Fläche innerhalb des Halbkreiswalles ausgefüllt haben.

Wie kommt es, dass es so viele Funde von den Häusern gibt und was konkret können wir uns darunter vorstellen?
Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn die Menschen in Haithabu ein Haus gebaut haben, haben sie zur Errichtung von Wänden und Zäunen immer Holzpfosten oder Pfähle verwendet, die Sie zur Stabilisierung in die Erde gegraben bzw. gerammt haben. Wollten Sie ihr Haus später Instand setzen oder gleich ein ganz Neues bauen, haben sie nur den Teil, der über der Erde ist, abgerissen. Was in der Erde war, blieb bestehen. Aufgrund des hohen Grundwasserspiegels blieb viel Baumaterial bis heute erhalten. Das haben wir gefunden und konnten daraus Erkenntnisse über die Grundrisse eines Hauses gewinnen, wie viele Räume es hatte und auch über die Bauweise.

Haben Sie ein Beispiel?
Wir schauen uns zum Beispiel die im Boden verbliebenen Hölzer eines Hauses genau an. Welche Querschnitte hatten sie? Wie tief sind sie in die Erde eingegraben worden, konnten sie Gewicht tragen und welche Erkenntnisse lassen sich daraus für die Wand- und Dachkonstruktion ziehen? Wie sind sie bearbeitet und mit anderen verbunden worden - gibt es zum Beispiel Zapfenlöcher? Von einem Haus haben wir sogar das Flechtwerk der Wände und des Giebeldreiecks gefunden, so dass Wandhöhe und Dachneigung sicher rekonstruiert werden konnten. Da damals Türen häufig nicht an Angeln aufgehängt waren, sondern mittels Drehzapfen öffneten, die in Ausnehmungen in den Türschwellen drehten, konnten wir aufgrund dieser Ausnehmungen  Rückschlüsse auf die Türschlagrichtung ziehen. Fast immer öffneten sich die Türen nach Innen.

Und auf Grundlage all dieses Materials haben Sie im Dreier-Team dann die Häuser rekonstruiert…
Ja, und eine Herausforderung für uns drei bestand sicherlich darin, unsere drei Fachgebiete zusammenzubringen. Dass also keiner mehr Widersprüche aus seiner Fachdisziplin heraus gesehen hat. Das erforderte viel Kompromissbereitschaft – es hat aber auch viel Freude bereitet und zu diesem schönen Ergebnis geführt hat. 

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